Friday, January 08, 2010

Il mistero di Oberwald, Michelangelo Antonioni, 1981

Einen eher schlechten Ruf scheint dieser Film zu haben, zumindest insoweit, wie er überhaupt rezipiert wurde / wird. Claudia Lenssen bespricht Il mistero di Oberwald als höchstens halb erfolgreiches formales Experiment. Ihre These, dass Antonioni keinerlei Interesse am Sujet gehabt habe, dass das Sujet also lediglich Förmchen für eine Formübung gewesen sei, untermauert sie mit einem recht eindeutigen Zitat des Regisseurs.
Meine Arbeitshypothese wäre dagegen: Man sollte auch diesen Film - wenn es sein muss auch gegen seinen Regisseur - zuerst einmal voll und ganz ernst nehmen. Nicht nur die Farbexperimente, sondern auch die Liebesgeschichte und die politische Intrige. Das heißt ja noch lange nicht, dass man alles wortwörtlich so verstehen muss, wie es ausgesprochen wird. Dass Western nicht unbedingt über Cowboys und Indianer sprechen, heißt schließlich auch nicht, dass sie nicht ernst gemeint sind.
Lenssen bringt den Film mit Camp in Verbindung. Zugegebenermaßen weiß ich immer noch nicht so richtig, was Camp sein soll (I think I know it when I see it), aber wo sich in Il mistero di Oberwald Camp verstecken soll, das kannich beim besten Willen nicht erkennen. Exaltiert ist im Film überhaupt nichts, noch jedes potentiell melodramatische Zeichen verwandelt sich in einen Agenten der Distanzierung und zwar ohne jede Ambivalenz (zumindest auf eine solche Ambivalenz kann Camp imo nicht verzichten, Antonioni aber lässt dem Melodram keinen Kubikmillimeter Raum).
Il mistero di Oberwald ist ein faszinierender Abgesang auf das europäische Kunstkino, insbesondere auf dessen "Haunted-House-Filme" (Marienbad, La notte etc), über die Pauline Kael in "Zeitgeist and Poltergeist;. Or, Are Movies Going to Pieces?" schrieb: Die elektronischen Farbschleier des Fernsehens legen sich in den Verließen des Waldschlosses, in dem der Film fast ausschließlich spielt, über die Residuen der europäischen Kunst- und Kulturgeschichte. Aggressive Gesten der post production, Fernsehen macht Kino kaputt. Mit dem Hochglanzarthaus von Tykwer, Jeunet & Konsorten, der den klassischen Autorenfilm unglücklicherweise ein Jahrzehnt später beerbt hat, hat das allerdings nicht das geringste zu tun, weil keine dieser Gesten auch nur ein wenig affirmativ ist. Monica Vitti bewegt sich in der Tat durch hermetisch versiegelte, gemäldeartige Tableaus. Dass ihre Gestalt sich perfekt in diese Tableaus einfügt, macht die Sache nur noch finsterer, es folgt daraus aber noch lange nicht, dass der Film, oder auch nur Monica Vitti, als Ganzes hermetisch verschlossen bliebe; der Widerstand gegen die Vergewaltigung des eigenen Körpers mit den Mitteln des Kunsthandwerks und des Melodrams, die Verzweiflung darüber, dass der Widerstand ins Leere läuft, die paradoxe Wendung, dass eben diese Verzweiflung der einzig wirksame Widerstand ist: wenn das keine großartige Anordnung ist dann weiß ich auch nicht mehr.

Vittis Schauspiel, schon ihre reine Präsenz verhalten sich zur Abdichtung, anstatt sich ihr zu ergeben / ihr Komplize zu werden. Eine Frau, eingesperrt in einem überfrachteten Schloss, umgeben von Bildern, Dienern, Gespenstern, Intrigen, aber auch eine Frau, die sich noch nicht ganz ergeben hat. Die, wie der ganze Film, die Kommunikation, das Verhalten zur Welt auch unter Verschärften Bedingungen (Historeinfilm, Fernsehproduktion) nicht aufgeben möchte. An Antonionis ersten Film, Cronaca di un amore, hat mich Il mistero di Oberwald vor allem erinnert, diesem frühen Meisterwerk scheinen mir die ausladenden, eindringlichen Szenen von Vitti und Franco Branciaroli viel näher als dem kurz darauf entstandenen, ebenfalls interessanten, aber doch irgendwie weit weniger gelungenen Identificazione di una donna.

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