Tuesday, March 16, 2010

The Aimless Bullet, Yoo Hyung-mok, 1961

Koreanischer Neorealismus aus den Sechziger Jahren: Kriegsheimkehrer, Veteranen des Koreakriegs, die von der Gesellschaft nicht gerade mit offenen Armen empfangen werden, wanken ziellos durch Seoul und ihr eigenes Leben. Die Hauptfigur Chul-ho hat immerhin Arbeit gefunden. Er verdient dabei allerdings so wenig, dass er sich nicht einmal einen Zahnarztbesuch leisten kann. Beziehungsweise leisten will, denn außer der Geldfrage spielen da noch andere Motive eine Rolle: Seine Selbstinszenierung als aufrechter Märtyrer in einer Welt voller Ganoven etwa, oder auch eine gehörige Portion Masochismus. Seine Frau ist schwanger, sein Bruder - ebenfalls ein ehemaliger Soldat - hängt am Rande der Kriminalität rum, beginnt eine Affäre mit einer alten Bekannten, die kurz darauf von einem eifersüchtigen Nachbarn umgebracht wird und versucht sich schließlich an einem Banküberfall. Ein Verbrecher aus verlorener Ehre und auf verlorenem Posten. Dann gibt es noch die Schwester, die sich als Prostituierte durchschlägt und einen anderen Kriegsveteranen an sich zu binden versucht. Derweil liegt die demente Mutter in einem Eck des Hauses und ruft am laufenden Band "Rettet Euch! Verschwindet von hier!". Sehr düster geht es zu in The Aimless Bullet, die meisten Szenen spielen nachts, es geht dem Regisseur Yoo Hyung-mok weniger um kohärente Handlungszusammenhänge denn um atmosphärische, melancholische, manchmal auch gewalttätige Momentaufnahmen einer Gesellschaft, die die Wunden der Geschichte noch lange nicht angemessen versorgt hat. Yoos Film gilt als eines der großen Meisterwerke des klassischen koreanischen Kinos und ist einer der ganz wenigen seiner Zeit, die auch außerhalb seines Heimatlandes ein wenig von sich reden gemacht haben. Allerdings eben nur in den Sechziger Jahren, da lief der Film in San Francisco. Ansonsten nimmt man in Europa und Asien nach wie vor asiatische Kinematografien erst ab ihrer offiziellen Entdeckung durch den Festivalbetrieb war. Das heißt im Fall von Südkorea: Vor Kim Ki-duk war nichts, oder höchstens im Kwon-taek. Das darf natürlich nicht sein... Dieser sehr energetisch inszenierte Film, dessen expressive Beleuchtung teilweise fast an deutsches Stummfilmkino erinnert, hat seinen guten Ruf jedenfalls verdient. Leider ist die einzige überlebende Kopie, von der auch die DVD gezogen wurde, in keinem guten Zustand. Oft kann man nur erahnen, wie großartig Yoos Film einmal ausgesehen hat. Aber man gewöhnt sich dran, wirklich schlimm erwischt hat es nur einige wenige Szenen und wenn man es wirklich ernst meint mit World Cinema und ähnlichem, dann muss man diesen Film halt so oder so ansehen. Die DVD steht im Videodrom.

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