Monday, October 18, 2010

Nénette et Boni, Claire Denis, 1996

Einerseits kann man einer neuen Form beim Entstehen zusehen. Andererseits bleibt's halt doch ein Sozialdrama. Keine Differenz mehr wird vorausgesetzt zwischen Körper und Welt. Die Körper sind nicht mehr vereinzelt und ganz, sondern aufeinander bezogen und fragmentiert. Die Welt ist kein neutraler Container mehr, sondern die Gesamtheit der sinnlichen Bezugnahmen auf Materie. Was entsteht, ist ein halborganischer Flow, der sich nur dann ein wenig falsch anfühlt, wenn rhythmische Musik ihn begleitet. Und das spricht für den Flow: es ist ein dichterer, ein komplexerer Flow als der der Musik. Auch schön: keine falsche Romantik folgt aus der neuen Form. Paradigmatisch ist das Armband, das im Krankenhaus an der Babyhand befestigt wird. Der Eintritt in die Welt ist der Eintritt in die verwaltete Welt. Und doch: Es bleibt halt ein Sozialdrama. Und sogar ein übles, mit Teenageschwangerschaft, broken homes, ungenau definiertem migrantischen Milieu und so weiter. Wie Denis in ihren Flow die Zeichenlogik des Sozialdramas einbaut, wie widerstandslos dieser Einbau funktioniert, vor allem: Das hat mich immer wieder ziemlich abgestoßen, es wirft die Frage auf: wenn man sich "in die Bilder fallen lässt" (den ganz großen synästhetischen Überschlag kaufe ich der entsprechenden Theorieschule ohnehin nicht ab), wohinein fällt man dann ganz eigentlich? In ihren Afrikafilmen gibt es Stellvertreter für Denis' eigene Position und damit automatisch hierarchische Unterscheidungen. Vielleicht sind hierarchische Unterscheidungen manchmal eine gute Sache. Zumindest, wenn sie im Film figuriert - und nicht nur, bevor die Bildprofuktion überhaupt beginnt impliziert - sind.

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