Thursday, February 03, 2011

IFF Rotterdam 2011: 13 Assassins, Takashi Miike, Japan

Wenn die Frau, der der Bösewicht die Gliedmaßen abgeschnitten hat, ihre Geschichte zuende erzählt und das Motto des gesamten Films: "Totales Massaker" (wörtlich glaube ich eher so etwas wie: "alle sterben") mit einem im Mund eingeklemmten Stift auf einen Streifen Papier geschrieben hat, dreht der Chef-Assassin den Kopf leicht zur Seite und beginnt leise zu lachen. Er hat, erklärt er dann, endlich einen Grund gefunden zu sterben.
Natürlich ist die Szene insofern konventionell, als dass sie einige klassische Kategorien des Samuraifilms aufruft. Aber deswegen ist an ihr noch nichts falsch. Der gesamte Film ist konventionell, das liest man überall, so als hätte er deshalb nichts zu sagen, als könnte man eine konventionelle Erzählung nicht ernst nehmen. Natürlich nimmt Miike auch nicht alles ernst, aber wenn der Fießling sagt: "der dumme Weg macht mehr Spaß" und damit sehenden Auges in Richtung Feind und fast einstündiges Blutbad marschiert, dann ist das nicht nur selbstreflexives Augenzwinkern und Spiel mit der Zuschauererwartung, der Mann bleibt auch in Charakter. Wie die falten- und ausdruckslose weiße Fläche dieses Gesichts am Ende eine Matsch- und Blutmaske aufgesetzt bekommt und sich anschließend bei ihren Mördern bedankt, dass sie ihm den aufregensten Tag ihres Lebens verschafft haben (schon vorher ist er kindlich begeistert, weil er Schmerz und Angst spüren kann), das ist vor allem: ein kraftvoller Genremoment, als Coda einer atemberaubenden, in alle Richtungen ausufernden Kampfsequenz. Diese Kampfsequenz wiederum ist ein Katalog des martialischen Actionfilms, seiner Motive, seiner Raumlogiken, seiner Pathosformen, besonders großartig ist eine alptraumhafte Folge dezentrierter, gewinkelter Einstellungen, in denen die Bildkomposition gründlich aus den Fugen gerät.
13 Assassins ist ein reicher Film, der vom klassischen Kino auch gelernt hat, wie man kleinen Szenen und Nebenfiguren Eigenwerte verschaffen kann, die sie weder im High-Concept-Blockbuster, noch in modernistischen Genreüberformungen gewinnen können. Auch großartig ist, nur zum Beispiel, wie Miike den hauptsächlichen Schauplatz des Films einführt, ein entlegendes Bergdorf, das tatsächlich ein wenig an die Gemeinde aus Kurosawas Sieben Samurai erinnert. Der örtliche Clanchef bietet den Samurais an, dass sie, wenn sie ihm dafür ein paar Goldstücke überlassen, ruhig das gesamte Dorf niederbrennen dürfen. "Wir bauen es hinterher eben wieder auf". Später verkauft er junge Frauen aus dem Dorf als Prostituierte an den sexuell unersättlichen Waldkrieger (wenn der keine echte Miike-Figur ist, hat es nie eine gegeben). Als alle Frauen ausgelaugt sind, nimmt der Waldschrat sich gleich den Clanchef selbst vor.
13 Assassins ist eine faszinierende Mischung aus Genrekonservatismus und -innovation, ein Autorenfilm durch und durch. Dass mich der (in Venedig nicht durchweg positiv aufgenommene) Film so begeistert hat, mag auch daran liegen, dass ich ihn in der erstmals außerhalb Japans vorgeführten vollständigen Fassung (144 Minuten) sehen konnte. Miike selbst erklärte in einer Videobotschaft vor der Vorführung, dass der Film in dieser Version much more miikeesque sei. Aber auch, wenn für die internationalen Märkte tatsächlich ausgerechnet die 25 besten Minuten herausgeschnitten worden sein sollten, kann ich mir beim besten Willen nicht erklären, wie Tarantino und seine Kollegen diesem Epos ausgerechnet Somewhere vorziehen konnten.

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