Saturday, February 05, 2011

IFF Rotterdam 2011: Presa, Adolfo Alix Jr., 2010

Eine weitere philippinische Raumanalyse. Der gesamte Film spielt in einem Frauengefängnis, nur eine einzige Einstellung zeigt (wahrscheinlich) das Tor von außen (da hängt dann ein Plakat einer Anti-Drogenkampagne: "Fix the Fixers"). Innerhalb des Tors herrscht auf den ersten Blick viel Freiheit. Weite Teile des Films spielen außerhalb der kleinen Baracken. Die Frauen bewegen sich eng zusammengedrängt, aber verhältnismäßig frei auf den Höfen, an einer Badestelle (eine sehr schöne Sequenz), zwischen Wäscheleinen. Für die Staatsgewalt steht lediglich das verhärmte, vernarbte Gesicht einer Wächterin ein, ansonsten schaffen sich die Gefangenen ihre eigenen Hierarchien. An deren Spitze stehen zwei alte Frauen, eine geschäftstüchtige Patronin und eine ehemalige Starschauspielerin, die nach ihrer Karriere begonnen hat, Drogen zu verkaufen. Die einzigen größeren Handlungsbögen in diesem fast nur von kleinen, alltäglichen Situationen aus gedachten Film beschäftigen sich mit einem fiktionalen Filmdreh im Gefängnis und einem Begnadigungsgesuch des einstigen Filmstars.
Presa ist ein schöner Film, er sieht nur leider nicht so gut aus wie Chassis. Schuld ist das leider in vielen kleineren, peripheren Kinematografien zum Standart gewordene sub-HD-Digitalbild, das kaum einen ästhetischen Eigenwert zu haben scheint und sich fast nur über seine Defizite im Vergleich zum Zelluloidmaterial charakterisieren lässt: Weniger expressive Möglichkeiten, weniger Tiefe, hässlichere Kanten, mehr Artefakte und so weiter. Das größte Problem ist vielleicht, dass mit digitaler Technik alles fast automatisch gerade noch halbwegs erträglich aussieht, dass das Bedürfnis nach Repräsentation mit wenig Aufwand befriedigt werden kann. andere Bedürfnisse haben es dann schwer. Dabei kümmert sich Alix durchaus um seine Mise-en-scene, er arbeitet nur ganz offensichtlich in einem Apparat, der ihm in bildästhetischer Hinsicht wenig Handlungsspielraum lässt.
Dennoch ist der Film gerade auch aus institutioneller Perspektive interessant. Alix scheint eine Position im philippinischen Kino einzunehmen, von der ich bislang nicht wusste, dass es sie gibt: Er dreht am Rand des Mainstreams kleine sozialrealistische Filme mit Stars (in diesem Fall: mit vielen Stars). Wie sich die Filme exakt im Markt positionieren, kann ich nicht einschätzen, es gibt da auch einige Merkwürdigkeiten; für Chassis zeichnet beispielsweise eine Produktionsgesellschaft verantwortlich, die sich absurderweise "Happy Gilmore Productions" nennt. Über eine eventuelle Sandler-Alix-Connection würde ich gerne Näheres erfahren... In jedem Fall sind die Abspänne frei von den Emblemen europäischer Förderinstitutionen, vor denen man sich in Rotterdam ansonsten kaum retten kann. Mehr noch als andere, formal wagemutigere Filme ermöglichen die beiden schönen Arbeiten von Alix einen Blick auf eine Nationalkinematografie im Aufbruch, eines, in dem plötzlich wieder neue Bilder auftauchen für das gesellschaftliche Selbstverständnis und seine Risse.

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