Wednesday, May 11, 2011

Genesung, Konrad Wolf, 1956

Der Zigarettenrauch im Bildvordergrund; der Lokomotivendampf im Bildhintergrund; der Weichzeichner über dem Bild; die anschwellende Musik hinter dem Bild; der Wellenschlag in den Montagesequenzen zwischen den (erzählenden) Bildern; der Pathos des plötzlich eingeschobenen subjektiven Bildes: nichts davon ist bloßer Exzess, bloße Manipulation eines basalen, narrativ ausformulierten Bildrealismus. Genau anders herum: Die melodramatischen Gesten sind das Eigentliche dieses Films, sie zerren von allen Seiten nicht nur an den ideologischen Elementen des Arzt-Weltkriegs-Wiederaufbaudramas, sondern auch an den spröden, nüchternen Ursache-Wirkungs-Prinzipien der Spielhandlung insgesamt. Der Plot braucht viele Handlungsorte, der Films selber eigentlich sehr viel weniger (und es sind dann nur noch Orte, keine Handlungsorte mehr): das Krankenhausbett, in dem der Nebenbuhler dahin siecht als Ort der moralischen Entscheidung, den Bahnhof und den davonfahrenden Zug als Antriebskraft und Schaltzentrale, das schäumende Meer als innere Landschaft. (Manchmal schneidet Wolf auf den bewölkten Himmel, das wäre dann ein vierter, ein metaphysischer Ort.) Vielleicht muss man, um diesen Film, an dem manches öde ist, richtig gut finden zu können, seine Aufmerksamkeit auch einmal gezielt abschweifen lassen, dem Film dabei helfen, sein vermeintliches Gerüst zu vernachlässigen; man kann dann, mit einem zweiten Blick, der nicht auf das Werk als Ganzes, sondern auf einzelne Intensitäten, Bewegungen und Stillstellungen ausgerichtet ist, umso mehr finden, in, zwischen und neben den Bildern.

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