Sunday, April 13, 2014

The Delinquents, Robert Altman, 1957

Altmans erster langer Kinofilm, noch gedreht in seiner Heimatstadt Kansas City, Missouri, könnte mir fast sein liebster sein. Ein unabhängig produziertes juvenile-delinquency-Ding, vermutlich für den Exploitationzirkus gedacht, wo es dann aber doch wieder nicht so recht hinpasst, dem zu Beginn und am Ende heuchlerisch die in ihn eingepassten Attraktionen verdammenden Voice Over zum Trotz; schon der läuft nicht auf eine Warnung heraus, sondern auf die Aufforderung, doch bitte die Jungs und Mädels zu verstehen, denn das brauchen sie: Verständnis (Altmans im selben Jahr entstandener Dokumentarfilm The James Dean Story zielt in dieselbe Richtung: Da wird der soeben beerdigte Schauspieler gründlich durchverstanden, unter anderem mithilfe lustiger Symbolgrafiken). Ernst nehmen muss man ihn trotzdem nicht.

Die eigentliche Spielhandlung hebt sich von ihrer Rahmung nicht im Sinne des Exploitationprinzips ab, also innerhalb der festgesetzten Grenzen eines von beiden Seiten her durchschauten Spiels, in dem die Bilder eben das als Attraktion affirmieren, was die moralischen Instanzen an anderer Stelle im Film verdammen (und deshalb können die Exploitationbilder vom bürgerlichen Imago doch wieder integriert werden, als dessen ihm selbst verhaftet bleibende Negation). Sondern sie unterscheidet sich von ihr wie eine Sprache von einer anderen. Die Welt der Jugendlichen hat schlicht und einfach nichts zu tun mit dem Voice Over. Was auch heißt: Sobald die Jugendlichen den Eltern entwischt sind, agieren sie nicht deren Fantasien aus, sondern ihre eigenen.

Toll ist die Sprache der Jugendlichen, die noch nicht auf den angestrengten Hyper- bzw Postrealismus der späteren Altmanfilme hinauswill, die aber auch nicht einfach nur "Milieu" konstruieren will. Statt dessen hört man den Jungs und Mädchen bei den Versuchen zu, eine eigene Sprache zu finden, die offensichtlich noch der ihrer Eltern verhaftet bleibt, aber Schritt für Schritt mehr Freiheitsgrade erlangt (ohne gleich wieder in klischeeisierte Redewendungen zu kippen).

Tom Laughlin, der Hauptdarsteller, ist schon optisch super: Muskeln, die noch nicht wissen, wozu sie gut sind, der Körper ist dem Geist voraus, der massive Körper, nicht der im Grunde gefügig bleibende Geist drängt über die Rahmen des Kleinstadtlebens hinaus (passend dazu artikuliert sich sein Freiheitsdrang als Vollrausch). Sein love interest, Rosemary Howard, ist sonderbar puppenhaft, verzieht kaum eine Mine, wirkt auf rührende Art zerbrechlich. Howard hatte, laut imdb, weder vorher noch nachher als Schauspielerin gearbeitet, vor der Kamera hat sie sich, bei diesem ihrem einzigen Auftritt, offensichtlich nicht geöffnet, sondern komplett verschlossen. Versiegelt sogar.

Das andere Mädchen, nach den hier allerdings höchstens halb geltenden Exploitationregeln das bad girl, ist lebhafter, auch bei ihr hat man allerdings mehr als bei den Jungs den Eindruck, dass sie lines aufsagen muss. Vielleicht nur, weil sie immer das einzige Mädchen im Auto ist, halb part of the gang, halb aber auch girlfriend des einen bad boys ist, immer nur halb dazugehört. Vielleicht aber auch, weil es doch darum geht, dass es eine besondere Attraktion ist und deshalb nicht weiter begründet werden muss, wenn die "harten Sprüche" (die aber, siehe oben, so hart eh nicht sind), auch einmal von einer Frau aufgesagt werden. Der schönste Moment des Films gehört aber trotzdem ihr: Auf einer Party (die sowieso der Höhepunkt des Films ist) zieht sie Laughlin einmal beiseite. Der Film wechselt da flüssig zwischen verschiedenen Handlungssträngen, einmal taucht ihr keineswegs konentionell schönes Gesicht in einer isolierten Großaufnahme (vor schwarzem Hintergrund, glaube ich) auf, sie spricht Laughlin an, spricht aber auch ins Kinopublikum, plötzlich öffnet sich ein intimer Raum, den die elterliche Fürsorge niemals zugelassen hätte.

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