Friday, April 03, 2015

S T R A U B, Stefan Hayn, 2014

(Eine wenigstens etwas längere Version dieses taz-Textes)

Straub - ein einzelner, prägnanter Eigenname. Schon lautlich eher störrisch-borstig, konsonantenlastig; und dann die Filme, die der Träger des Namens, der schon zu Lebzeiten legendäre Jean-Marie Straub gedreht hat, in seiner nun schon über 50 Jahre andauernden Karriere: kompromisslos brechtianische Brocken, absichtsvoll unbehauen, gleichzeitig freilich ungemein zärtlich gegenüber allem, was die Kamera vorfindet. In Straubs (wenigen) öffentlichen Äußerungen überwiegt die Konfrontation, die polemische Attacke gegen den Rest der (Kino-)welt: Figurenpsychologie, untermalende Musik, beflissenes filmisches Erzählen - alles eine einzige Soße, mit der sein Kino, das Straub-Kino, nichts zu tun haben will, und die am Ende vielleicht auch noch Schuld daran ist, dass es nach wie vor nicht klappen will mit Kommunismus. Wie um diese radikale Selbstinszenierung auf die Spitze zu treiben, nennt der in Berlin lebende Filmemacher Stefan Hayn den Film, den er dem Franzosen widmet, nicht einfach „Straub“, sondern, in isolierten Großbuchstaben: S T R A U B. Dabei hat Hayn Straub gerade kein Monument gebaut. Ganz im Gegenteil nähert sich sein Film dem einzigartigen Werk vorsichtig, vermittels einer doppelten Übertragung: Zunächst hat Hayn über mehrere Jahre hinweg eine Serie von Ölbildern gemalt, die er selbst als malerischen Reflex auf das Werk des französischen Regisseurs beschreibt. Und dann hat er diesen seinen eigenen Blick auf Straub wieder zurück übersetzt mithilfe des mechanischen (und in diesem Fall, weil er klassisches 35mm-Material verwendet: photochemischen) Blicks der Filmkamera: Weite Teile von "S T R A U B" bestehen aus Filmaufnahmen der Bilder, wobei Hayn sie mal in leinwandfüllenden Totalen präsentiert, mal in einzelne Ausschnitte zerlegt. Einige Bilder sind nur ein-, zweimal zu sehen, auf andere kommt er immer wieder, in jeweils leicht verschobenen Kontexten zurück. Die Bilder sind wie der gesamte Film: faszinierend, aber zunächst weitgehend opak. Wo Hayn gegenständlich arbeitet, schließt er höchstens über Umwege an einzelne Filmszenen oder an Motive des Straub'schen Werks an. Andere Bilder wirken zunächst wie formlos vollgekritzelt – bis ihnen der insistierende Blick Ansätze von Gegenständen, und vor allem von Gesichtern entlockt; allen Bildern gemeinsam scheint eine Tendenz, die menschliche Form gerade nicht ihrer Umgebung abzuheben, abzugrenzen, sondern sie ganz im Gegenteil in das Ganze des Bildraums kollabieren zu lassen. Man kann das in Verbindung bringen mit Straubs filmischer Ästhetik, die den Bäumen im Vorder-, oder auch den Bergwipflen im Hintergrund stets dieselbe Aufmerksamkeit schenkt wie den Menschen, die er filmt. Zur Seite gestellt werden den Bildern in angenehm verspielter Manier andere Reflexe: Im Bild Ikurze Spielszenenin denen zwei Kinder auftauchen, sowie der Regisseur selbst, der ein Kreuz über einen Acker trägt; auf der Tonspur Kompositionen von Hindemith und Debussy, kurze Auszügen aus Robert Antelmes “Menschengeschlecht” und vor allem ein Arbeitsbericht, den Daniele Huillet, die 2006 verstorbene langjährige Lebens- und Arbeitsgefährtin Straubs anlässlich der Dreharbeiten zu Moses und Aaron (1975) verfasst hatte. Und in dem der unbedingte (und stets unbedingt politisch gemeinte) Materialismus des Straub/Huillet'schen Kinos sich ausdrückt, wenn zum Beispiel in einer ausführlichen Passage die Schwierigkeiten beschrieben werden, die auftreten, wenn ein Filmteam sich in einem nordafrikanischen Dorf aufhält, aber keine eigenen Toiletten mitgebracht hat und also gezwungen ist, sich er Privatsphäre der Dorfbewohner aufzudrängen. Huillets Text wird von mehreren Sprecherinnen vorgetragen. Wie Straub geht es auch Hayn darum, den individualisierten Sprechakt nicht hinter dem vorgetragenen verschwinden zu lassen, sondern als eine weitere materielle Spur, die auf das sprechende Individuum verweist. Besonders diese Ebene des Films macht deutlich, dass es “S T R A U B” bei aller Distanznahme nicht nur um eine Hommage an einen großen Außenseiter des Weltkinos, sondern auch um den Versuch einer Aktualisierung der Methode Straub/Huillet geht.

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