Wednesday, October 14, 2015

Navy Wife, Allan Dwan, 1935

Der Mann im Profil, die Frau frontal: Oft reden Dwan-Figuren so miteinander, wenn sie allein zu zweit sind. Der Blickkontakt ist die Ausnahme, die Köpfe schnappen meist schnell wieder zurück (die Hände auch).





Aber die Menschen bleiben selten allein. Ein kleines Meisterstück, genial in seiner Einfachheit, habe ich in Navy Wife entdeckt. Zunächst gibt es einen längeren Zweierdialog zwischen einem Profilmann und einer Frontalfrau in einem Bus. Der Hintergrund ist vermutlich eine Rückprojektion, vermittelt jedenfalls den Eindruck beziehungsloser Beliebigkeit. (Kann man Rückprojektionen je begehen?).

Dann folgt das Meisterstück: In der nächsten Einstellung ist die Kamera nicht mehr im (eben doch nicht wirklich) fahrenden Bus platziert, sondern "davor" (und offensichtlich, das sieht man an der veränderten Fensterform des Busses, auf einem anderen Set). Der Bus fährt zwischen der Kamera und einem weiteren Mann, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu stehen scheint vorbei. Und er kommt genau so zu stehen, dass dieser zweite Mann sich zwischen das Paar schiebt. 




Ein Dwan-Fensterblick: Er sieht die beiden, sie sehen ihn nicht. Aber was folgt daraus? Erst einmal geht die Einstellung weiter, der Mann steht plötzlich alleine im Bild, blickt dem Bus nach. Dann treten von links drei weitere Figuren ins Bild. Und ersetzen damit die beiden Verliebten im Bus wie ein Rahmen den anderen. Die ganze Szene ist eine Abschweifung, aber eine fast mathematisch ausformulierte.





Zwei Einstellungen später, beim Autoscooterfahren, hat sich der Rahmen verselbständigt, der zweite Mann ist an den Rand gedrängt worden. Vielleicht ist er auch einfach nur von der Frau mit Augenklappe überfordert.


Es hat einen eigenartigen Reiz, zu beobachten, wie sich Figuren in Dwans Filmen gegenseitig im Bild ersetzen, wie sie frei gelassene Positionen einnehmen, wie sich die so etablierten Tableaus wieder auflösen und dann ähnlich (aber selten gleich) wieder zusammensetzen. Eine Überlegung wert: Worin liegt der Unterschied zu den (zb Seidl'schen) Tableaus des modernen Kinos? Bei Dwan scheinen sich die Figuren an den Plätzen, die ihnen zugewiesen sind, wohl zu fühlen. 

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