Sunday, February 07, 2016

Hou fragments

Wunderschön ist es auch weiterhin (für ein paar weitere Tage), alle Filme meines Lieblingsregisseurs Hou Hsiao Hsiens noch einmal zu sehen, in größtenteils wunderschönen 35mm-Kopien, im Zeughauskino, wo sich die Besuchermenge vor dem Eingang nach den Vorstellungen, dem Winter zum Trotz, stets etwas langsamer als gewöhnlich zu zerstreuen scheint. Die Filme hallen nach, nicht unbedingt als singuläre Großentwürfe, eher bruchstückhaft, szenenweise.

Einige dieser Szenen:

Das Besäufnis in Boys From Fengkuei: Sowohl die Hauptfigur, als auch der Mann in der Nachbarwohnung, auf den er eigentlich eifersüchtig ist, sind sturzbetrunken, müssen irgendwie versorgt, halbwegs ruhig gestellt werden. Aber gerade letzteres will einfach nicht funktionieren, weil sie einfach immer weitergröhlen. Das unartikulierte Gebrüll nimmt und nimmt kein Ende, immer wenn es abzuebben scheint, erhebt sich ein neues, besonders enthemmtes Gejaule. Auf die Dauer nimmt das fast musikalischen Charakter an. Da Boys From Fengkuei ohne Direktton gedreht wurde, muss dieser Exzess zweimal stattgefunden haben: Einmal beim Dreh, und dann noch einmal im Synchronstudio.

Jene Interaktion in Dust in the Wind, in der der Mann (der im ganzen Film kein bisschen älter wird) der Frau (die sich fast mit jeder neuen Szene verändert, reifer wird, ins Leben tritt) erst Vorhaltungen macht: Was trinkst Du auch so viel, das schickt sich nicht. Und in der die Frau dann seinen Kumpel, der ihr lediglich im Scherz angeboten hatte, ihr T-Shirt zu bemalen, nicht nur beim Wort nimmt, sondern sich auf der Stelle vor ihm und der wie erstarrt daneben sitzenden Hauptfigur das Shirt über den Kopf zieht. Das alles in dieser wunderbaren Künstler-Stadtwohnung, die sich über den gesamten Film hinweg mit der Totalen der Dorfstraße in der ländlichen Provinz reimt.

Alle Billiardszenen. Insbesondere die in A Summer at Grandpa's, in der erst der Onkel ziemlich ungestüm und ohne jedes Talent ein paar Kugeln durch die Gegend schießt, dann aber, nach einem ziemlich lang und explizit ausgespielten Blickwechsel mit seiner Frau im Nebenzimmer verschwindet. Dann übernimmt die Hauptfigur, der Zehnjährige, den Billiardstock, und stochert enthusiastisch, aber noch untalentierter zwischen den Kugeln herum.

Ebenfalls in Summer at Grandpa's: ein reines Kindheitserinnerungsbild. Der ältere Bruder hat entdeckt, dass ein Flur im Haus der Großeltern extrem glatt ist, und jetzt nimmt er immer ein paar Schritte Anlauf und rutscht dann ein, zwei Meter durch die Wohnung. Erst in die eine Richtung (auf die Kamera zu), dann in die andere (von ihr weg). Komplett konzentriert, wie man eben nur in der Kindheit komplett konzentriert sein kann. Es gibt nur noch diese Entdeckung, die muss jetzt stur ausagiert werden. Bald gesellt sich die jüngere Schwester dazu, die vielleicht weniger von dieser Sturheit, als vom Rutschen selbst fasziniert ist. Der Großvater im Zimmer darunter freilich ist not amused.

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